Eine der Obsessionen menschlicher Wesen ist die Zeit. Wir sind Teil eines Flusses, der uns unrettbar und gleichgültig mit sich reißt, so sehr wir auch hartnäckig versuchen, ihn umzuleiten und unserem Willen zu unterwerfen. Erzählend können wir uns wenigstens einbilden, ihn zu bändigen: Wenn wir mit Worten und Bildern in der Zeit schürfen, haben wir den Eindruck, eine gewisse Kontrolle über den Zeitfluss zu erhalten, ihn zu teilen, in kleinere Blöcke zu zerlegen, der Strömung entgegen in die Vergangenheit zurückzukehren oder schnell vorauszuschwimmen, um zu erfahren, was uns erwartet.
Eine der Menschen, die die Zeit wie kein anderer erzählt haben, ist Simon Stålenhag. Er wurde 1984 in Stockholm geboren, entwickelt beruflich Videospiele und
komponiert Musik, ist aber vor allem ein Künstler und Concept Designer, der hyperrealistische Sci-Fiction-Welten entwirft.
In
Loop (erscheint in Deutschland bei Fischer Tor) erzählt er durch die Erinnerung der Figuren ein Schweden der 80er Jahre, das von Maschinen im zukunftsweisenden Design bevölkert wird, die jedoch paradoxerweise der Vergangenheit angehören und vor sich hin rotten.
Die im Buch gesammelten Geschichten erzählen von den Folgen und den
Auswirkungen des größten Teilchenbeschleunigers der Erde auf Menschen und die
Umwelt, welcher unterirdisch in Schweden gebaut und von den Bewohner der
Gegend „Loop“ getauft wurde.
Die Welt in den Illustrationen von Stålenhag ist von einer Melancholie
durchzogen, einer Empfindung, die noch vom diffusen Licht gesteigert wird, das
eine nostalgische, bisweilen unheimliche Atmosphäre schafft.
Auch bei Nacht lassen die Lichter der Roboter und der großen Kühltürme, die
über der schwedischen Stadt thronen, keinen Platz für totale Dunkelheit: Scheinbar
haben die Menschen, die nahe dem Loop leben, nicht einmal bei Nacht Ruhe vor
den Erinnerungen und sind gezwungen, ununterbrochen den vom Gedächtnis
genährten Schreckgespenstern einer Technologie ins Auge zu sehen, die nicht
mehr die Zukunft zeigen, sondern die Spuren einer nunmehr hinter ihnen
liegenden Vergangenheit bilden.
Aus dem Buch Loop von Stålenhag ist die anthologische Serie Tales From the Loop
entstanden, deren einzelne Folgen subtil aufeinander verweisen, und die von
Nathaniel Halpern für Prime Video kreiert wurde. Nicht mehr Schweden, sondern
die amerikanische Provinz von Mercer in Ohio ist Setting der Serie, aber die
melancholische und nostalgische Aura bleibt bestehen.
Zu Beginn der ersten Folge wendet sich Russ Willard (gespielt von Jonathan Price) zur Einleitung dieser Erzählungen direkt an die Zuschauer. Er gibt sich als Gründer des Zentrums für Experimentelle Physik von Mercer, dem Loop, zu erkennen. Zweck dieser Forschungseinrichtung sei es, die „Geheimnisse des Universums zu entfesseln und zu entdecken“ und Dinge zu zeigen, die unmöglich anmuten, und „dennoch geschehen“, Willard kündigt an, dass wir nun Geschichten einiger Bewohner von Mercer im Lauf der Zeiten sehen werden. Auch in der Filmadaption von Stålenhags Buch steht die Zeit mit ihren vom Loop bewirkten Sprüngen und Veränderungen im Mittelpunkt: Es sind jene Ungereimtheiten im Leben der Bewohner von Mercer, in denen sie sich verlieren und wiederfinden.
So wie im Buch ist das Licht auch in der Serie ein fundamentales Erzählelement. Die Fotografie des Films verstärkt die Melancholie, von der die Welt von Tales From the Loop getränkt scheint: Das Licht akzentuiert die gesättigten Farben und taucht die Menschen in eine Atmosphäre der Schwebe und lässt uns eine veränderliche und flüchtige zeitliche Dimension fast fassbar erscheinen, die alle Merkmale und Angelpunkte verloren hat, die uns so vertraut sind.
So wie im Buch ist das Licht auch in der Serie ein fundamentales Erzählelement. Die Fotografie des Films verstärkt die Melancholie, von der die Welt von Tales From the Loop getränkt scheint: Das Licht akzentuiert die gesättigten Farben und taucht die Menschen in eine Atmosphäre der Schwebe und lässt uns eine veränderliche und flüchtige zeitliche Dimension fast fassbar erscheinen, die alle Merkmale und Angelpunkte verloren hat, die uns so vertraut sind.
Die nostalgische Patina des Buchs und der Serie – gänzlich anders als die Nostalgie
des Appropration Cinemas einer anderen, Science-Fiction und Nostalgie
vereinenden Serie wie Stranger Things – bildet den perfekten Rahmen für die vom
Loop und der mit ihr verbundenen Technologie beeinflussten Fährnisse der
Menschen: Schmerz, Melancholie, Angst vor Verlust werden verstärkt und klingen
auch dank der merkwürdigen, im Wald oder am Flussufer vergessenen Roboter
und Maschinen, den getreuen Reproduktionen der Zeichnungen Stålenhags,
schriller.
Ein Vergleich zwischen den
Illustrationen des schwedischen Künstlers und den Szenen der Serie
Das Science-Fiction von Loop und Tales from the Loop beschäftigt sich nur nicht mit
der Auflösung von Rätseln in Bezug auf die Zeit (wie es etwa eine Serie wie Dark
versucht), sondern nimmt die Auswirkungen des Loops auf die Menschheit unter
die Lupe, die Art und Weise, wie das Forschungszentrum die Beziehungen
zwischen den Personen beeinflusst und ein Gefühl der Melancholie hinterlässt, das
auch nach der letzten Seite des Buchs und dem Abspann der letzten, sehr
bewegenden Folge, nicht weichen will.