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Dante, von der Finsternis ins Licht

Die Ausstellung „Lo sguardo di Dante – the mimetic observer”

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Published: 17 Jan 2024
Der Beginn der Göttlichen Komödie ist in Dunkelheit gehüllt. Wie der Italianist Claudio Giunta in seinem neuesten Buch Inferno (Feltrinelli, 2023) schreibt, schreckt uns Heutige die Vorstellung eines „dunklen Waldes“ nicht, während sie für einen Leser des 14. Jahrhunderts sehr furchteinflößend gewesen sein muss. Aber die Finsternis existiert nicht nur in der realen Welt der Dichtung, sondern hat bei Dante ganz konkrete Bedeutungen. Dies wird klar, wenn man die Fotografien von Carlotta Valente betrachtet, die in Zusammenarbeit mit Joaquín Paredes entstanden sind und in der Ausstellung Lo sguardo di Dante – the mimetic observer bis zum 29. Februar im Palazzo Barberini in Rom gezeigt werden. In Negativen von Tieren, Pflanzen und Sternen werden Bilder vermittelt, die die unterschiedlichen Lichtphänomene in der Commedia verkörpern. In der vom Istituto Centrale per il Catalogo e la Documentazione des italienischen Kulturministeriums gesponserten, von Alessandro Coco und Peter Lang kuratierten und von Giorgio Di Noto koordinierten Ausstellung nehmen wir auf unmittelbare Weise – mit unseren Augen – die Lichtvariationen von Anfang bis Ende der Danteschen Dichtung wahr, durchqueren die Hölle und das Fegefeuer, um schließlich das Ziel des Dichters im Paradies zu erreichen, wo seine Angebetete Beatrice weilt. Der Höllenschlund, durch den wir Dante und Vergil in das Innere der Erde folgen, ist anfangs in Finsternis getaucht, aus der die leidenden Verdammten zu ihnen sprechen: Um diese Regionen zu durchqueren, ist das Licht der Vernunft in Gestalt der Laterne Vergils unabdingbar. „Die Gegend wurde lichtlos um mich her“, sagt Dante im Fünften Gesang an einer Stelle.

Im Fegefeuer nimmt der Dichter einen Schimmer wahr, der sich im Jenseitsreich des Paradieses als blendendes Licht entpuppen wird. Denn im Paradies angelangt, erscheinen die erlösten Seelen wie Flammen, wie Lichter. In ihrer unstofflichen Aura sind ihre Züge im Gegensatz zu den „irdischen“ Physiognomien der Seelen in Hölle oder Fegefeuer kaum noch zu erkennen, sie sind selbst zu Lichtquellen geworden. Im letzten Gesang schreibt Dante: „O höchstes Licht, das über menschlichem Verständnis du so hoch schwebst, leihe meinem Gedächtnis dessen etwas, das du schienest.“ Für den Kritiker Giulio Ferroni „lehrt uns Dante hier die Alterität des Blicks“ auch mithilfe des Lichts, das besonders im Paradies durchgängig als Metapher eingesetzt wird.  

Das Licht und seine Eigenschaften bilden eines der Leitthemen der Göttlichen Komödie, was die Fotografien der Ausstellung Lo sguardo di Dante eindrucksvoll belegen. Die Klimax der Danteschen Wanderung – von der Finsternis der Hölle zum göttlichen Glanz des Paradieses – fangen Carlotta Valente und Joaquìn Paredes nicht nur in ihren Motiven, sondern vor allem dank der Eigenheiten des fotografischen Mediums selbst ein, das wie kein anderes vom Licht lebt. „Die 27 Werke der Ausstellung“ – so Carlotta Valente – „nutzen das Licht und die Lichtbeständigkeit der Materialien, die für ihre Realisierung ausgewählt wurden“, so dass sie uns nicht nur die Welt der Commedia, sondern auch die historischen fotografischen Produktionsverfahren erschließen.

Für die thematisch der Hölle zugeordneten Fotografien wurde Papier aufgrund seiner lichtabweisenden, matten Natur verwendet: Die zugrundeliegende Technik ist die der Solarisation, genauer gesagt der Sabattier-Effekt, bei dem Licht in der Dunkelkammer eingeschaltet wird, um die hellen Töne zu „auszubrennen“.
Carlotta Valente - Inferno: Lupo
Carlotta Valente - Hölle: Wolf
Glas kam für die Fotografien des Fegefeuers zum Einsatz: Als durchscheinendes Material projiziert es Schatten, ebenso wie es die Seelen dieses Jenseitsreiches tun. Als Technik wählte Valente die Cyanotypie, sowohl als Hommage an die Botanikerin Anna Atkins (als erste Frau, die die Cyanotypie in einem Buch verwendete) als auch deshalb, weil Blau die erste Farbe war, die Dante am Ausgang der Höllenfinsternis wahrnimmt.
Dante, von der Finsternis ins Licht
Carlotta Valente - Fegefeuer: Kiefer
Für das Paradies schließlich setzte Valente auf eines der aufwändigsten und ältesten aller fotografischen Verfahren: die Dagherrotypie. Dabei wird eine Fläche aus Silber lichtempfindlich gemacht. Das auf der Platte verbleibende Bild ist freilich nur sehr schwer zu erkennen: „Das Material, das wir für das letzte Kapitel der Göttlichen Komödie ausgewählt haben, soll die Wahrnehmung Dantes bei seiner Ankunft im Paradies illustrieren: Hier ist er vollständig geblendet und sieht nur noch gleißende Gestalten“, erläutert Valente.
Dante, von der Finsternis ins Licht
Carlotta Valente & Joaquín Paredes - Paradies: Planet
So entdecken wir im Palazzo Barberini, dass eines der für die westliche Zivilisation prägenden literarischen Werke sich auch als Traktat über das Licht lesen und ansehen lässt.